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Kann man nach Glück streben? Und darf man das überhaupt?

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Von historischen Idealen zur persönlichen Erfüllung Am 12. Juni 1776 entstand in Williamsburg ein Text, der die Welt verändern sollte: Die Virginia Declaration of Rights. Als erste systematische Zusammenstellung von Bürgerrechten wurde sie zur Blaupause für die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung, die Bill of Rights und sogar die französische Verfassung. Ihr erster Artikel formuliert eine revolutionäre Vision: „Alle Menschen sind von Natur aus frei und unabhängig. Sie besitzen das Recht auf den Genuss des Lebens und der Freiheit, den Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit.“ Glück als Menschenrecht – eine Utopie? In einer Welt, die noch von Leibeigenschaft und absoluten Monarchien geprägt war, klangen diese Worte wie reine Fantasie. Selbst in der „Neuen Welt“ blieben sie für viele (insbesondere Sklaven) zunächst leer – doch die Idee war gesät. Heute, 249 Jahre später, wirkt der Text erschreckend aktuell: Trotz technologischen Fortsch...

Tun und Sein

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Aufwachen ist jeden Tag anders. Heute weicht der Schlaf dem Wachsein in kleinen Wellen. Das Licht des Tages drängt sich zuerst als Funke, dann in Schüben durch meine Lider. Nach einem Weilchen ist es hell. Links neben mir liegt verstrubbeltes braunes Haar, aus dem ein Paar braune Augen lächelt, als hätten sie mein Wachwerden beobachtet. Das Lächeln wird Lachen und geht in eine Umarmung über und die in ein Ringkämpfchen. Nicole gewinnt dabei den ersten Platz in der morgendlichen Badnutzungsreihenfolge (weil ich sie lasse 😉). „Zur Strafe“ muss ich Kaffee machen. Seit wir diese sündteure Mühle aus dem Schwarzwald haben, wird der Espresso immer schön frisch gemahlen. Per Handkurbel. Zuerst fand ich das blöd, weil ... es dauert. Seit wir aber der Zeit die Herrschaft über unsere Leben Stück für Stück abknöpfen, darf Kaffee mahlen dauern, genau wie viele andere Dinge, die „Weile wollen“, um gut zu werden. Nach wenigen Minuten schnorchelt die „Bialetti“ leise auf dem Herd. Die achteckige Kann...

Wirksam werden

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Es war 1981, mein erstes Lehrjahr als Baulehrling. Wir lernten Mauern. Bis zu diesem Tag hatten wir nur mit Sand gearbeitet, um unsere Übungswände am Ende des Tages wieder einreißen zu können. Doch heute wurde es ernst: Ziegel, Mörtel, Kelle, Wasserwaage, Hammer und Schnur lagen bereit. Die Anspannung ließ mich sogar die Pause vergessen. Am Abend standen zwei Wände dort, wo vorher nichts war – eine 24 cm dick, die andere 11,5 cm. Sie sollten später den Eingang zu einer Garderobe bilden. Ich staunte über mich selbst. Zum ersten Mal spürte ich bewusst, was es bedeutet, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Meine Arbeit hatte einen Sinn, ich hatte etwas bewirkt. Es war das erste Mal, dass ich diese besondere Verbindung zu meinem Tun wahrnahm – das Gefühl, „wirksam“ zu sein. Ich beschloss, es mir zu merken. Selbstwirksamkeit – Die Wissenschaft dahinter Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit wurde in vielen Studien untersucht. Die Erkenntnisse lassen sich so zusammenfassen: Menschen, die...

Das dritte Drittel – Warum wir endlich chilliger älter werden sollten

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Intro: Alter ist kein Datum, sondern ein Gefühl Lass uns wieder über das „dritte Drittel“ reden. Es startet nicht einfach, wenn dein Rentenbescheid im Briefkasten liegt. Manche sind mit 50 reif für die Rente, andere erst mit 65. Und dann? Alles sollte schön sein, aber plötzlich sind da 1.000 Fragen: „Wie komme ich mit dem Geld klar? Wie sieht meine Familie mich jetzt? Braucht mich noch jemand?“ Aber halt! Wir leben heute länger UND fitter als je zuvor. Warum also diese Lebensphase im Liegestuhl verbringen? Vor allem, wenn der Arbeitsmarkt schreiend nach Erfahrung sucht. Zeit, das Ding umzudrehen! 1. Die Sache mit dem Arbeitsmarkt: Wir sind die heimlichen VIPs Der demografische Wandel ist kein Mythos – die Jungen werden weniger, und Firmen heulen schon jetzt nach Fachkräften. Gleichzeitig haben viele von uns Ü50ern noch Lust auf Arbeit, aber bitte ohne den Stress von früher. Und hey: Wir sind loyal, wissen, wie der Hase läuft, und können Krisen managen (wir haben schließlich Walkman und...

Drei Drittel und ein viertes

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Die Idee für diesen Blog entstand, als ich im Basler Unispital an die Decke starrte. Meine Gedanken kreisten um die Entzündung an meiner Herzklappe und vieles mehr. In diesem Moment kam mir die Idee, wieder zu schreiben. Vor etlichen Jahren, in einer anderen Zeit des Neubeginns, habe ich das schon einmal getan. Damals war ich nicht nur im Wortsinn unterwegs, sondern auch innerlich. Ich reiste um die Welt und begriff, dass „unterwegs sein“ nicht nur eine körperliche Bewegung bedeutet, sondern ebenso eine des Geistes. Beides macht glücklich. Verharrt man hingegen zu lange im Stillstand, leiden Körper und Seele. Das Spital brachte mich diesem Stillstand näher, als ich ihm jemals war – zumindest körperlich. In der Innenseite meines rechten Oberarms steckte ein „Zugang“, durch den ich die Medis erhielt. Dieser fixierte mich, wie eine Kette den Hofhund. Ich hätte aus der Haut fahren können. Aber wo Schatten ist, ist auch Licht. Plötzlich und unerwartet war meine Zeit leer. Es gab nichts mehr...